Bei Erster Hilfe kann man nichts falsch machen
Dennoch sind viele Menschen unsicher. Mit einer Aktion anlässlich des Welt-Erste-Hilfe-Tages wollte das Rote Kreuz zum Helfen ermutigen.
HASSFURT – Diese Minuten wird Alois Kreml sein Leben lang nicht vergessen. Aus dem Nichts heraus wird seine Ehefrau Erika an einem Nachmittag im Frühjahr bewusstlos. Sie sackt in sich zusammen, liegt regungslos auf dem Küchenboden. Sie atmet zwar, ist aber weder durch Rütteln oder Ansprechen wach zu bekommen. „Ich war total schockiert“, erinnert sich der 62-Jährige, „da weißt du nicht mehr was du tun sollst.“ Situationen wie diese sind es, in denen Erste Hilfe Leben retten kann. Um die Bevölkerung für Erste Hilfe zu sensibilisieren, hat sich das Bayerische Rote Kreuz Haßberge am Samstag am Internationen Tag der Ersten Hilfe beteiligt. Ein Parcours auf dem Marktplatz Haßfurt regte zum Mitmachen an.
Alois Kreml wählte sofort den Notruf 112, dann brachte er seine Frau in die stabile Seitenlage und redete auf sie ein. Knapp zehn Minuten später standen Rettungsdienst und Notarzt vor der Tür, um der Seniorin zu helfen, die zu diesem Zeitpunkt das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Wie sich bei der medizinischen Untersuchung herausstellt, war ein entgleister Blutzuckerspiegel der Grund für die kurzzeitige Bewusstlosigkeit. „Zum Glück war der Rettungsdienst schnell zur Stelle und hat meiner Frau geholfen“, erinnert sich der 62-Jährige. „Das ist alles nochmal gut ausgegangen.“
Erste Hilfe ist wichtig, sagt der Oberpfälzer, der mit seiner Gattin ein paar Tage Urlaub in den Haßbergen macht und sich für den Parcours des Roten Kreuzes interessiert. Er rät jedem dazu, seine Kenntnisse in Erster Hilfe aufzufrischen, schließlich könne man jederzeit in die Situation kommen, jemandem helfen zu müssen. Sei es in der Familie oder als Ersthelfer bei einem Verkehrsunfall. In seinen Appell, einen Erste-Hilfe-Kurs beim BRK zu besuchen, schließt sich der Senior selbst ein. Rund 15 Jahre ist sein letzter Kurs her. „Da wird es mal wieder Zeit.“
Dafür, dass sein letzter Erste-Hilfe-Kurs schon eineinhalb Jahrzehnte zurück liegt, kennt sich Alois Kreml erstaunlich gut aus. Er weiß, wann man jemanden in eine stabile Seitenlage bringen muss (bei Bewusstlosigkeit, aber gleichzeitig vorhandener Atmung) und dass man bei einem bewusstlosen Motorradfahrer nach einem Verkehrsunfall den Helm abnimmt. Das verhindert, dass ein Bewusstloser womöglich erstickt.
Dass sie beispielsweise bei einem Verkehrsunfall Hilfe leisten mussten, in diese Situation sind Gertrud Schnitzer und Monika Henneberger (beide aus Haßfurt) noch nie gekommen. Berührungsängste hätten sie aber nicht, versichern die beiden im Gespräch mit den BRK-Mitarbeitern am Erste-Hilfe-Parcours. Und schon gar nicht würden sie einfach weiterfahren. „Anhalten und schauen, was passiert ist und einen Notruf absetzen“, kommt Monika Henneberger spontan in den Sinn. „Und die Unfallstelle absichern mit einem Warndreieck und selbst eine Warnweste anziehen.“
Gertrud Schnitzer würde sich um die Verletzten kümmern, das sei für sie keine Frage. „Auf jeden Fall mit den Leuten sprechen und sie betreuen, bis der Rettungsdienst da ist“, sagt sie. „Und wenn jemand bewusstlos ist, würde ich ihn aus dem Auto holen und am Boden in die stabile Seitenlage bringen.“ Stärkere Blutungen würde sie versuchen, mit einem Druckverband zu stoppen. Als ehemalige Krankenschwester weiß die Haßfurterin also bestens, was im Fall der Fälle zu tun wäre.
Das ist längst nicht bei allen Passanten so, die sich an den acht Stationen des Erste-Hilfe-Parcours am Marktplatz mit Fragen rund um die Erste Hilfe beschäftigten. Bei vielen Autofahrern ist ihr letzter Erste-Hilfe-Kurs so alt wie ihr Führerschein. Unsicherheit macht sich deshalb breit, wenn es ums Helfen geht. „Viele haben Angst, etwas falsch zu machen und trauen sich nicht“, weiß Erste-Hilfe-Ausbilderin Simone Gilley aus den Gesprächen. Interessiert schauen einige deshalb zu, als Rettungsassistent Harald Krumpholz zeigt, wie einfach es ist, einen Bewusstlosen mit ein paar Handgriffen in die stabile Seitenlage zu bringen oder wenn Simone Gilley gemeinsam mit ihrer Kollegin Ingrid Böllner die Wiederbelebung an einer Übungspuppe demonstriert.
„Man kann bei Erster Hilfe nichts falsch machen“, versichert Gilley den Besuchern immer wieder. Nichts zu tun, das sei falsch. Jeder könne beispielsweise einen Notruf unter 112 absetzen, damit schnellstmöglich professionelle Hilfe durch den Rettungsdienst naht. „So lange einfach beim Verletzten oder Erkrankten bleiben und situationsgerecht helfen“, empfiehlt die Ausbilderin.
Wer sich unsicher ist oder sein Wissen auffrischen will, der kann sich jederzeit zu einem Erste-Hilfe-Kurs beim BRK-Kreisverband Haßberge, Tel. 09521/9550-0, anmelden. Der Kurs dauert lediglich einen Tag und umfasst neun Unterrichtseinheiten. Vier große Praxisblöcke stehen dabei nach Worten von Simone Gilley im Mittelpunkt: Stabile Seitenlage mit und ohne Helm, Herz-Lungen-Wiederbelebung, Wundversorgung sowie akute Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Atemnot etc.). Vor allem die Praxis wird in dem neuen Kurssystem großgeschrieben. An vier Stationen üben die Teilnehmer gemeinsam.
So ein Kursbesuch, das wäre vielleicht auch etwas für das Ehepaar Edeltraud und Erwin Butterhof aus Haßfurt. Die beiden überlegen, ob sie nicht wieder einmal ihr Erste-Hilfe-Wissen auffrischen sollten, schließlich liegt ihr Erste-Hilfe-Kurs im Rahmen des Führerscheinerwerbs schon über 40 Jahre zurück. Seit 1972 fährt Edeltraud Butterhof Auto, noch nie ist sie zu einem Verkehrsunfall dazugekommen, bei dem sie Hilfe leisten musste. Aber wenn es soweit wäre, versichert die Seniorin, dann würde sie auf jeden Fall anhalten und Hilfe rufen. „Die Unfallstelle absichern“, sei ebenfalls wichtig und dann die Verletzten betreuen, bis der Rettungsdienst kommt. Einfach weiterfahren, das käme für sie und ihren Mann nicht in Frage.
„Das geht gar nicht“, verurteilen ebenso Ramona Schubert und Olaf Donnerhack Gleichgültigkeit gegenüber Hilfsbedürftigen. „Helfen ist wie ein Reflex“, versichert Olaf und will unbedingt noch etwas loswerden, bevor er sich mit seiner Partnerin wieder aufs Mountainbike schwingt und durch die Haßberge radelt: „Für Schaulustige, die an Unfallstellen gaffen, Fotos machen oder filmen, habe ich absolut kein Verständnis."
Rund 100 Besucher haben sich am Samstag innerhalb der fünf Stunden über Erste Hilfe beim Parcours des Roten Kreuzes informiert und selbst geübt. Erklärt wurde die Rettungskette, der Ablauf einer Hilfeleistung anhand eines Fahrradsturzes, stabile Seitenlage und Wiederbelebung wurden demonstriert. Zudem konnte man einen Rettungswagen besichtigen, bei einem Quiz und einem Memory mitmachen und Verletzten-Schminken üben.
„Durch die Aktion ist es uns gelungen, den ein oder anderen wieder ein stückweit mehr für Erste Hilfe zu sensibilisieren“, sagt Michael Will, Sprecher des BRK-Kreisverbandes. Schließlich sei diese kein Hexenwerk und kinderleicht. „Helfen kann jeder, und bei uns kann jeder helfen lernen“, wirbt er für die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs, der bei den meisten Mitbürgern schon viel zu lange her sei. Das BRK empfiehlt, Erste-Hilfe-Kenntnisse alle zwei Jahre zu erneuern.
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Sechs Tipps für Erste Hilfe im Straßenverkehr
Was tun, wenn Sie in einen Verkehrsunfall geraten? „Benutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand“, sagt Michael Will, Sprecher des BRK-Kreisverbandes Haßberge, und empfiehlt:
1. Achten Sie auf Ihre Sicherheit. An Unfallorten im Straßenverkehr unbedingt Warnwesten tragen und die Unfallstelle absichern (Warndreieck); zuerst Gefahren für Sie und andere einschätzen. Nur wer selbst nicht in Gefahr gerät, kann helfen. Verschaffen Sie sich einen ersten Überblick über die Situation: Wer ist verletzt? Wer braucht als Erster Hilfe? Bringen Sie Verletzte aus der Gefahrenzone.
2. Machen Sie Ihre Umgebung deutlich auf den Notfall aufmerksam. Scheuen Sie sich nicht, Anweisungen zu geben und Umstehende direkt anzusprechen, um notwendige Maßnahmen durch konkrete Ansagen zu verteilen.
3. Möglichst schnell den Rettungsdienst unter Notruf 112 verständigen: Wo hat sich der Notfall ereignet? Den Standort möglichst exakt angeben und auf weitere Fragen vorbereitet sein, wie zum Beispiel: Was ist geschehen? Wie viele Personen sind betroffen? Unbedingt abwarten, bis die Rettungsleitstelle alle wichtigen Informationen abgefragt hat und das Gespräch beendet.
4. Kontakt zum Betroffenen aufnehmen und sich auf Augenhöhe zum Betroffenen begeben. Stellen Sie sich vor, sagen Sie, dass Sie helfen und bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes bei ihm bleiben werden. Erklären Sie immer, was Sie tun. Zuhören und einfach nur da sein hilft schon.
5. Betroffene medizinisch versorgen:
- Wunden verbinden (Einmalhandschuhe benutzen!)
- Bewusstlose in die stabile Seitenlage bringen, Atmung kontrollieren und gegebenenfalls mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnen
- Betroffenen möglichst zudecken (Wärmeerhalt)
- bei Betroffenen mit Atemnot Oberkörper hochlagern
6. Überprüfen Sie regelmäßig Ihren Verbandkasten im Auto: Ist er vollständig, das Verbrauchsdatum nicht überschritten?
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PM 047 / 2018. Text und Fotos: Michael Will / BRK