Licht der Hoffnung symbolisiert Hilfe für Jedermann
Erinnerung an Ursprünge des Roten Kreuzes – Fackellauf nach Solferino
LIMBACH / SOLFERINO - Eine kleine, unscheinbare Flamme brennt an der Spitze der knapp 1,2 Meter großen, silberfarbenen Aluminiumfackel, deren Vorderseite ein Rotes Kreuz trägt. Jede Bewegung und jeder Windstoß unter freiem Himmel lässt die Flamme tanzen - sie windet sich, zügelt aber unaufhörlich weiter. Ihr Schein erlischt nicht und trägt das „Licht der Hoffnung“ in diesen Wochen und Tagen quer durch Deutschland, Österreich und Italien und die Herzen tausender Rotkreuzler. Dieses kleine Licht ist Symbol für die Arbeit der Rotkreuzler: Es brennt unablässig, ebenso wie das Engagement der Helferinnen und Helfer nie erlischt, wenn es darum geht, Mitmenschen in Not zur Seite zu stehen.
Getreu dem Motto: „Unsere Mission + Menschen helfen“.
Am Sonntagnachmittag, bei sommerlichen Temperaturen und blauem Himmel, durchquerte das „Licht der Hoffnung“ im Rahmen der Fiaccolata (= italienisch für Fackelzug) auch den Landkreis Haßberge und wurde von ehrenamtlichen Mitglieder der BRK-Bereitschaften, der Wasserwacht und des Jugendrotkreuzes in Empfang genommen und am Fuße der prächtigen Kulisse der Wallfahrtskirche Maria Limbach schließlich an die Kollegen des BRK-Kreisverbandes Bamberg übergeben. Die wiederum übergaben sie am Abend an die Kollegen des Bayerischen Roten Kreuzes in der Oberpfalz. Schließlich wechselte das „Licht der Hoffnung“ am Dienstag die Landesgrenze und ging in die Hände des österreichischen Roten Kreuzes über.
Seit 1992 erinnern tausende von Menschen aus der ganzen Welt alljährlich am 24. Juni bei einem Fackelzug, der Fiaccolata, des Italienischen Roten Kreuzes von Solferino nach Castiglione delle Stiviere an die Anfänge der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Wegen der Corona-Pandemie muss die Fiaccolata in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge ausfallen.
Doch Not macht bekanntlich erfinderisch! Deshalb hat sich der DRK-Landesverband Westfalen-Lippe etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Unter dem Motto „Licht der Hoffnung“ wurde am 8. Mai eine Fackel von Münster Richtung Solferino auf den Weg gebracht. Zu Land, zu Wasser und in der Luft wird die Fackel quer durch Deutschland, Österreich und Italien transportiert, bis sie schließlich in wenigen Tagen in Solferino, südlich des Gardasees, ankommt. Dann wird sie rund 1100 Kilometer Luftlinie zurückgelegt haben und durch die Hände von mehr als 1000 Rotkreuzlern gegangen sein.
Doch was ist der historische Hintergrund? Jedes Jahr findet im Juni in Solferino in Oberitalien am Geburtsort der Rotkreuz-Idee die Fiaccolata statt, bei der tausende Rotkreuzler aus der ganzen Welt zusammenkommen und bei Einbruch der Dämmerung symbolisch die Flammen der Rotkreuzidee als Fackeln entzünden.
Nach 2020 ist dies auch in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie leider nicht möglich.
Die Schlacht von Solferino war die Entscheidungsschlacht im Sardinischen Krieg zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Piemont-Sardinien sowie dessen Verbündetem Frankreich unter Napoleon III. Am Morgen des 24. Juni 1859 standen sich jeweils 150.000 Soldaten gegenüber. Am Abend lagen 40.000 Tote und Verwundete auf dem Feld. Der junge Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant, der sich auf Durchreise befand, vergaß angesichts dieser schrecklichen Bilder und des unsagbaren Leids seine ursprüngliche Mission und kümmerte sich stattdessen um die Soldaten. Er setzte sich dafür ein, dass alle Verwundeten unabhängig von ihrer Nationalität gleichbehandelt wurden. Die Rotkreuz-Idee, in Friedenszeiten Hilfsorganisationen zu gründen, deren Ziel es sein soll, die Verwundeten in Kriegszeiten durch Freiwillige als Zeichen der Menschlichkeit pflegen zu lassen, war geboren.
Der Rotkreuzgedanke lebt in den Helferinnen und Helfern des BRK-Kreisverbandes Haßberge weiter, die am Sonntagnachmittag bei Maria Limbach auf die Ankunft der Fackel warten. Rund 40 Ehrenamtliche haben sich eingefunden, um Spalier zu stehen, als die Fackel eintrifft, die von den Kollegen aus dem BRK-Kreisverband Würzburg an die Haßbergler überbracht wurde und nun von der BRK-Bereitschaft Knetzgau kurz nach 15 Uhr empfangen wird. Mit dabei ist Bezirksbereitschaftsleiter Michael Behringer, der an diesem Tag die Fackel quer durch ganz Unterfranken auf rund 450 Kilometern durch die Gebiete der verschiedenen Kreisverbände begleitet.
Auf dem Parkplatz der Wallfahrtskirche wandert die Fackel dann von Hand zu Hand. Die Übergabe von einem Rotkreuzler zum anderen versinnbildlicht, dass alle Rotkreuzler, egal wo in Deutschland oder auf Welt, sich den Grundsätzen des Roten Kreuzes verpflichtet fühlen und tagtäglich Hand in Hand gemeinsam für Mitmenschen in Not arbeiten und ihnen helfen.
Für den fünf Jahre alten „Rettungszwerg“ Konrad vom Jugendrotkreuz Haßberge ist es ein großer Moment, auch wenn er die Bedeutung dieses ganz besonderen Augenblicks so genau natürlich noch nicht einordnen kann: Er bekommt die Fackel und einen Rotkreuz-Teddy von den Kollegen BRK-Bereitschaft Knetzgau überreicht, übergibt sie schließlich weiter an Johanna Schnös von der BRK-Bereitschaft Zeil, die symbolisch auf einer Rettungsfahrtrage Platz genommen hat. Die Trage samt der jungen Rotkreuzhelferin wird schließlich von Mitgliedern der Schnelleinsatzgruppe CBRNE in Chemiekalienschutzanzügen quer durch ein Einsatzzelt geschoben. Dort überreicht Johanna die Fackel an Kreisbereitschaftsleiter Stefan Funck, der sie wiederum an die bereits wartenden Kollegen Christopher Gratza und Christopher Gillitzer von der BRK-Bereitschaft Bamberg 3 weiterreicht. Mit ihnen wandert die Fackel an diesem Tag schließlich weiter durch Oberfranken bis in die Oberpfalz.
„Eine großartige Aktion, die Hoffnung und Zusammenhalt symbolisiert“, freut sich angesichts des Fackellaufs durch die Haßberge BRK-Kreisgeschäftsführer Dieter Greger. „Das ist ein tolles Beispiel dafür, wie gut das weltumspannende Netzwerk des Roten Kreuzes auch in herausfordernden Zeiten funktioniert.“
„Der Fackellauf hat mich stark berührt“, sagt Kreisbereitschaftsleiter Stefan Funck. „Es war sehr beeindruckend mitzuerleben, wie sich unser Rotes Kreuz an den verschiedenen Stationen in Unterfranken präsentieren konnte.“ Die föderale Struktur des Verbandes biete eine unglaubliche Vielfalt; es sei einfach bemerkenswert, wie die verschiedensten Gemeinschaften und Einheiten harmonisch vernetzt zusammenarbeiten.
Funck erlebt das nicht nur bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen, „sondern auch bei meiner täglichen Rotkreuzarbeit auf allen Verbandsebenen - im örtlichen Bereich ebenso wie auf Kreis-, Bezirks-, Landes- oder Bundesebene. Trotz dieser Vielfalt sind wir beim Zusammenarbeiten immer EIN Rotes Kreuz“.
Das Motto des Fackellaufs, „Licht der Hoffnung“, könnte in der aktuellen Pandemiesituation nicht treffender gewählt werden. Auch im Landkreis Haßberge sehen sich die Rotkreuzler nach seinen Worten seit über einem Jahr mit stetig neuen Herausforderungen konfrontiert. „Mit einem überwältigenden Engagement jedes einzelnen Rotkreuz-Helfers und mit Teamgeist konnten wir bislang alle Aufgaben in dieser Ausnahmesituation mit Bravour meistern“, sagt Funck: „Ich bin stolz, ein Mitglied der Rotkreuzfamilie zu sein!“
Auch bei Ingrid Böllner hat der Fackellauf einen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Für mich als ehrenamtliche Helferin und als hauptamtliche Mitarbeiterin war der Tag mit der Ankunft des ,Lichts der Hoffnung‘ ein Höhepunkt in meinem Rotkreuzleben.“
Viele Rotkreuzler fahren nach ihren Worten einmal in ihrem Leben nach Solferino, um an diesem Fackellauf teilzunehmen. Aufgrund der Pandemie war dies nun zum zweiten Mal in Folge nicht möglich und „umso glücklicher sind wir, dass das Licht zu uns gekommen ist“.
Während die Fackel bei Maria Limbach in Empfang genommen wurde, waren Böllners Gedanken bei der Geschichte, bei der Entstehung des Roten Kreuzes: „Der Gedanke Henry Dunants wird zu uns getragen - zu den Menschen, die diesen Gedanken weiterleben lassen.“
Ingrid Böllner kommt ein wenig ins Schwärmen: „Ich sah strahlende Kinderaugen, ich sah stolze Erwachsene, die alle Teil dieser Geschichte sind. Ich sehe es als Kraftgeber für die Arbeit im Bereich des Ehrenamtes. Denn aufgrund der Pandemie und der dadurch entstandenen sozialen Distanz wurde mir einmal mehr bewusst, dass unsere Gesellschaft ohne die große Gemeinschaft der Ehrenamtlichen nicht existieren kann.“ Hier seien alle gefragt, dies zu unterstützen und nach der Pandemie ihre Arbeit in den vielen Bereichen wieder aufzunehmen.
Auch für Lukas Krapf, Leiter der BRK-Bereitschaft Zeil, spiegelt die Fackel als Symbol der Hoffnung die aktuelle Zeit der Lockerungen und der sich bildenden Gemeinschaft wider. „Es zeigt uns auch über den eigenen Tellerrand hinaus, wie viele Menschen Teil des Roten Kreuzes sind, wie wir alle die gleichen Ziele der Halbmondbewegung noch heute vertreten und dies zu Ehren Henry Dunants mit einer Fackel auch deutlich machen können.“ Dadurch werde für „jedes Mitglied sichtbar, ein Teil des Ganzen sein zu können und wie weitreichend unsere Gemeinschaft und unsere gemeinsamen Werte und Normen sind“.
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PM 047 / 2021. Text und Fotos: Michael Will / BRK.