Rettungsdienstmitarbeiter erleben bei ihren Einsätzen manchmal Pöbeleien und Anfeindungen. Viel öfter aber gibt es positive Erlebnisse.
Landkreis Haßberge - Dass Rettungskräfte bei ihren Einsätzen nicht immer freundlich empfangen werden, sich sogar beschimpfen oder beleidigen lassen müssen, kommt deutschlandweit jeden Tag vor. Mitunter kommt es auch zu gewalttätigen Attacken und gefährlichen Situationen. Vergangenes Jahr beispielsweise wurden eine Notärztin und zwei Rettungsdienstmitarbeiter in Bayreuth schwer verletzt, als sie unvermittelt von einem Patienten mit einem Messer angegriffen worden sind. Und wie ist die Situation in den Haßbergen? Entspannter. Zum Glück. Pöbeleien oder Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften des Rettungsdienstes sind im Landkreis Haßberge in den vergangenen ein bis zwei Jahren nicht verstärkt feststellbar, sagt Christoph Grimmer, Leiter Rettungsdienst beim BRK-Kreisverband Haßberge. Dieses in Großstädten oder an sozialen Brennpunkten mitunter feststellbare Phänomen registriere man beim BRK mit vier Rettungswachen in Haßfurt, Ebern, Eltmann und Hofheim nicht.Natürlich komme es vor, dass bei Einsätzen Patienten oder Dritte das Rettungsfachpersonal beschimpfen oder beleidigen. Das sei in aller Regel aber nur dann der Fall, wenn die Betroffenen alkoholisiert seien oder unter dem Einfluss anderer berauschender Substanzen stünden. Das allerdings fassen die Retter nach Grimmers Worten meist nicht als persönlich gemeinten Angriff auf. Vielmehr sei ein solches Verhalten von Betroffenen dem übermäßigen Alkoholkonsum geschuldet und damit quasi symptomatisch. "Das kommt in unserem Beruf in entsprechenden Situationen ab und zu vor", sagt Christoph Grimmer. "Aber damit können wir ganz gut umgehen." Patienten, die unter dem Einfluss berauschender Substanzen pöbeln oder beleidigen, würden das in nüchternem Zustand in aller Regel nicht tun. Ebenso können psychiatrische Notfallsituationen mit Anfeindungen durch Betroffene einhergehen, sagt Rettungssanitäter Michael Will, beim BRK-Kreisverband Haßberge für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Das sei aber dem Erkrankungsbild zuzurechnen. "In aller Regel spielen bei Anfeindungen gegenüber den Helfern Bewusstseinseinschränkungen durch Alkohol, Drogen oder der Psyche eine entscheidende Rolle."
Dass grobe Respektlosigkeit gegenüber dem Rettungsdienst an der Tagesordnung ist, sei in den Haßbergen nicht festzustellen. "Einzelfälle, wie ihn beispielsweise ein Kollege mit dem Rettungswagen auf der Rückfahrt von einer Einsatzstelle zur Rettungswache erlebt hat, sind die Ausnahme." Ihm hatte auf einer Landstraße im Begegnungsverkehr ein junger Autofahrer unvermittelt den Stinkefinger gezeigt. Ein solches Erlebnis verwundere im ersten Augenblick zwar und stimme nachdenklich. Letztendlich könne derartig freches Verhalten abseits des Einflusses berauschender Substanzen aber wohl eher unter der Rubrik "nicht berauschende Intelligenz" eingeordnet werden. Beschimpft würden Rettungskräfte hin und wieder von Anwohnern oder Autofahrern, wenn der Rettungswagen auf der Straße abgestellt werden muss und eine Zufahrt oder Durchfahrt für andere Verkehrsteilnehmer versperrt, verdeutlicht Will. Bei Notfalleinsätzen könne es um Leben und Tod gehen, so dass die Retter den Einsatzort möglichst schnell erreichen müssten und möchten. "Deshalb kann es auch dazu kommen, dass Einsatzfahrzeuge ungünstig aber nah am Einsatzort abgestellt werden müssen." Weitaus kritischer als Pöbeleien sind tätliche Angriffe auf die Rettungskräfte zu bewerten. Die sind im BRK-Kreisverband Haßberge allerdings eher selten, betont BRK-Sprecher Michael Will. Bekannt ist ein Fall, bei dem ein Rettungssanitäter während einer medizinischen Behandlung im Rettungswagen von einer Patientin unvermittelt in die Hand gebissen wurde. "Allerdings befand sich die Frau zu diesem Zeitpunkt in einer psychischen Ausnahmesituation, die auch zu dem Notarzteinsatz geführt hatte. Sie war also nicht in der Lage, ihre Handlungen bewusst zu steuern." In einem anderen Fall wurden ein Notarzt und ein Rettungsassistent während eines Einsatzes im Rahmen einer Kirchweihveranstaltung von einem Mann angegriffen, der zuvor in eine Schlägerei verwickelt war. Er versuchte die Einsatzkräfte mit Fäusten und Tritten zu attackieren. Die Retter flüchteten sich in ihr Einsatzfahrzeug und verriegelten die Türen, woraufhin der Angreifer mit dem Fuß einen Außenspiegel am Einsatzfahrzeug abtrat und zerstörte. Inzwischen eingetroffene Polizeibeamte nahmen den Mann in Gewahrsam, er stand deutlich unter Alkoholeinfluss. "Um in entsprechenden Situationen aggressivem Verhalten vorzubeugen bzw. entgegen zu steuern, versuchen die BRK-Einsatzkräfte eine positive Kommunikation gegenüber Betroffenen und setzen auf deeskalierende Maßnahmen", verdeutlicht Michael Will. "Wenn das alles nichts hilft, bleibt nur noch der Rückzug oder die Unterstützung durch Polizeibeamte." Rettungskräften stehe grundsätzlich frei, bei körperlichen Angriffen gegen die eigene Person Strafanzeige zu stellen. Jeder müsse für sich entscheiden, ob er das tut.
Das BRK hat nach Wills Worten bayernweit zur internen Bearbeitung ein Formblatt "Dokumentation von Aggressionsereignissen" erstellt, das jeder Mitarbeiter nach einem derartigen Erlebnis ausfüllen soll. Ziel sei es, damit belastbare objektive Aussagen über Anzahl, Art und Weise von Angriffen bzw. Pöbeleien gegenüber Rettungskräften zu erhalten. Des Weiteren sind die Mitarbeiter angehalten, entsprechende Vorkommnisse ihrem Wachleiter oder Rettungsdienstleiter mitzuteilen. Bei alledem überwiegen bei den Rettungskräften positive Erlebnisse, verdeutlicht der BRK-Sprecher. Immer dann, wenn sie akut Erkrankten oder Verletzten durch ihre Maßnahmen helfen und sie stabilisieren konnten und es Patienten nach der weiteren Behandlung in einer Klinik wieder besser geht. "Dann erleben die Rettungskräfte mitunter auch mal eine nette Überraschung, wie vor wenigen Tagen in der BRK-Rettungswache Ebern." Eine Frau, die der Hilfe durch Rettungsdienst und Notarzt bedurfte, "hat sich für den Einsatz der Kollegen und des Notarztes mit einem selbst gebackenen Kuchen und einer Karte bedankt". Sie schreibt: "Vielen herzlichen Dank Ihnen allen für die ,großartigen Leistungen?, die Sie das ganze Jahr über bringen. Danke auch den Sanitätern und dem Notarzt, die mich im April 2016 abgeholt haben. Sie waren so nett und einfühlsam. Danke. Von Herzen alles Liebe." Über so eine nette Geste freuen sich die Rettungsdienstmitarbeiter natürlich sehr. "Das motiviert für die tägliche Arbeit und relativiert manch negative Erlebnisse", versichert Michael Will.
PM 004 / 2017 - Text: Michael Will / BRK. Fotos: Archiv BRK Haßberge