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· News - Bereitschaft Ebern

Einsatz auf der Wiesn - Bei 4,9 Promille hilft nur noch die Notärztin

Dr. Leonore Jahn aus Maroldsweisach hat kürzlich auf dem Oktoberfest in München eine Schicht lang als Notärztin gearbeitet. Mit einem BRK-Notarzteinsatzfahrzeug musste sie quer über das Wiesn-Gelände zu Patienten ausrücken.
Jonas Keil (links) und Christian Klein, Mitglieder der Bereitschaft Ebern, sorgten mit einer Rolltrage für den Transport von Verletzten.
Während des Münchner Oktoberfestes sind Rettungswagen, Ärzte und Sanitäter pausenlos im Einsatz, um Verletzten und Erkrankten medizinisch zu helfen.
München/Maroldsweisach/Vorbach - Tausende Menschen, gute Stimmung, laute Musik, Bier und Hendl: Ein Besuch auf dem Münchner Oktoberfest bedeutet für die meisten Menschen ausgelassen zu feiern und Spaß zu haben. Für andere bedeutet das größte Volksfest der Welt Anspannung pur und handfeste Arbeit. Zigtausend Besucher müssen jedes Jahr von Ärzten und Sanitätern behandelt werden, weil sie sich besinnungslos trinken, weil sie sich statt mit den Maßkrügen zuzuprosten damit die Schädel einschlagen und weil sie vor Erschöpfung zusammenbrechen. "Schon mittags um 12.30 Uhr war die Überwachungseinheit voll belegt", sagt Dr. Leonore Jahn. Die 46-jährige Allgemeinmedizinerin aus Maroldsweisach hat während des "italienischen Wochenendes" vor zwei Wochen beim Oktoberfest als Notärztin für das BRK ehrenamtlichen Dienst verrichtet. Schon zum zweiten Mal nach 2008 hat sie heuer einen Tag lang Betrunkene versorgt, sich um tief Bewusstlose gekümmert und Herzinfarktpatienten behandelt. Ein solcher Dienst auf der Wiesn ist anstrengend, fordert Geist und Körper. Notarzteinsätze sind für die engagierte Medizinerin quasi Alltag. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer Allgemeinarztpraxis ist sie regelmäßig im Rettungsdienst als Notärztin unterwegs; in Maroldsweisach betreibt die 46-Jährige einen sogenannten Außennotarzt-Standort. Das hat vor allem für akute Erkrankte und Verletzte enorme Zeitvorteile. Im Raum Maroldsweisach und Umgebung kann die Notärztin, die unter anderem auch als Leitende Notärztin bei Großschadensereignissen tätig ist, viel schneller bei den Hilfesuchenden sein, als die in Ebern, Hofheim oder Bad Königshofen stationierten Notärzte. Ein Zeitvorteil, der Leben retten kann. Doch Notarztdienst auf dem Oktoberfest zu leisten, hat irgendwie doch eine andere Qualität. Da werden die Ärzte mit Verletzungen konfrontiert, die sonst im regulären Mediziner-Alltag eher selten sind: Schwerste Gesichts- und Schädelverletzungen beispielsweise, wenn Betrunkene in ihrer Aggressivität ihrem Gegenüber einen vollen Maßkrug auf den Kopf schlagen. Klaffende Wunden und Schädelbrüche sind nicht selten die traurige Bilanz bierseliger Unvernunft. "Der Dienst macht Spaß", sagt die 46-Jährige. Und weil das für Außenstehende vielleicht etwas merkwürdig klingt, erklärt sie gleich, weshalb: Es ist weniger die Behandlung und Versorgung von Erkrankten und Verletzten an sich, vielmehr beeindruckt die Ärztin, mit welcher Professionalität in der Versorgungsstation auf der Wiesn gearbeitet wird und welchen logistischen Aufwand es bedarf, Hunderte Verletzte am Tag, oft in dichter Reihenfolge und auch parallel, bestens medizinisch zu versorgen. Quer über die Wiesn Leonore Jahns Dienst am 26. September hatte um 9.30 Uhr begonnen und erst gegen 2.00 Uhr am nächsten Morgen geendet. In dieser Zeit war sie als eine von drei Ärzten in einer speziellen Behandlungsstation auf dem Wiesn-Gelände tätig, in der Patienten im Minutentakt behandelt werden mussten. Zudem gehörte die 46-Jährige zur Besatzung eines BRK-Notarzteinsatzfahrzeugs - neben zwei weiteren der Berufsfeuerwehr München. Denn immer dann, wenn die Sanitäter mit ihrer Notfallausrüstung und ihren Rolltragen Erkrankten nicht ausreichend selbst helfen können, wird ein Notarzt alarmiert, der sich schließlich um die Hilfsbedürftigen kümmert, Infusionen und Medikamente verabreicht, Herz und Kreislauf stützt sowie die Atmung aufrecht erhält. Begleitet worden ist Dr. Jahn bei ihrem Wiesn-Einsatz von zwei Mitglieder der BRK-Rettungswache Ebern, die diesen ehrenamtlichen Dienst auf dem Oktoberfest schon seit mehreren Jahren ausüben: Christian Klein, Medizinstudent und Lehrrettungsassistent aus Vorbach, und Jonas Keil, Student und Rettungssanitäter aus Maroldsweisach. Die beiden jungen Männer bildeten zusammen mit anderen Rettungsdienstmitarbeitern eines von elf sogenannten Tragenteams. Die machen sich mit einer fahrbaren Trage vom Rettungsstützpunkt aus immer dann auf den Weg, wenn von Besuchern oder der Polizei medizinisches Personal angefordert wird. Das reicht vom Sturz über den Kreislaufkollaps bis hin zu schweren Schnittverletzungen und Blutungen. Und natürlich die unzähligen Betrunkenen, die auf Grund übertriebenen Alkoholgenusses nicht mal mehr ihren Namen sagen können oder gar so tief bewusstlos sind, dass sie intensivmedizinisch überwacht werden müssen. Ein Besucher brachte es während der Schicht von Leonore Jahn auf stolze 4,9 Promille. Auch Christian Klein und Jonas Keil, die mit weiteren drei Mitarbeitern ein Tragenteam bildeten, waren in ihrer Schicht von 9.30 bis 1.30 Uhr auf den Beinen. Jedes Team hatte dabei rund 35 Einsätze. Stationiert sind die Teams im Rettungszentrum, die Einsätze laufen bei einer extra dafür eingerichteten Wiesn-Leitstelle auf. Von dort werden die Tragenteams und Notärzte alarmiert und koordiniert. Ausgestattet mit Digitalfunk können sie via GPS lokalisiert werden; damit kann die Einsatzzentrale immer das dem Patienten am nächsten befindliche Team schicken. Rücken die Tragenteams vom Stützpunkt aus, erhalten sie den konkreten Einsatz auf einem Plan mitgeteilt. Mit Hilfe einer Übersichtskarte, auf der das ganze Oktoberfestgelände in Planquadrate unterteilt ist, finden sich damit auch Ortsunkundige bestens zurecht. Über Headsets standen Christian Klein und Jonas Keil mit der Einsatzzentrale in ständigem Funkkontakt. Dabei sind die Retter so professionell ausgestattet wie im regulären Rettungsdienst: Rettungsrucksack mit Verbandsmaterial und Pulsoxymeter gehören ebenso dazu wie Beatmungsgerät, Intubationsbesteck zum Legen eines Beatmungsschlauches und ein Defibrillator, mit dem nach einer Herzattacke lebensbedrohliches Herzkammerflimmern bekämpft werden kann. Ist der Zustand des Patienten soweit stabil, dass er transportfähig ist, wird er per Rolltrage ins Behandlungszentrum gefahren, wo um die 20 Betten zur Verfügung stehen. Entscheidet das Team jedoch, dass an Ort und Stelle eine umgehende Behandlung durch einen Arzt notwendig ist, wird über die Einsatzzentrale ein Notarzt angefordert. In diesen Fällen ist auch Dr. Leonore Jahn mit dem Notarzteinsatzfahrzeug ausgerückt, begleitet von einem Rettungsassistenten und einem Fahrer. Parallel dazu fährt ein Rettungswagen zum Einsatzort. Doch selbst mit Blaulicht und Martinshorn können sich die Einsatzfahrzeuge durch die schlendernden und torkelnden Massen oft nur mühsam einen Weg bahnen. Neben der normalen Arbeit im Behandlungszentrum, musste Dr. Jahn an dem Tag mehrmals als Notärztin quer über das Wiesn-Gelände zu Notfallpatienten ausrücken. Unter anderem wurde sie zu einem akuten Asthmaanfall gerufen, zu einem Mann, der nach einem Sturz bewusstlos war, zu Schwerverletzten nach einer Schlägerei. Des Weiteren hatte sie es mit massiv Betrunkenen zu tun, musste einen Herzinfarktpatienten behandeln und einen Mann, der mit Verdacht auf eine Schweinegrippeinfektion in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Nähen im Minutentakt Im Behandlungszentrum haben es die Ärzte mit Fällen zu tun, die sie auch aus ihren Praxen oder dem Krankenhaus kennen. Da gibt es beispielsweise die Bedienungen, die nach stundenlangem Schleppen schwerer Maßkrüge an Sehnenscheidenentzündung leiden, Patienten, denen ihre Herzschwäche zu schaffen macht oder andere, die vor Erschöpfung Kreislaufprobleme haben. Zu Dr. Jahns Patienten gehörte des Weiteren auch ein Lkw-Fahrer mit einer allergischen Reaktion, bei anderen Patienten wurden zum Beispiel eine Nierenbecken- und eine Lungenentzündung diagnostiziert. Um Schnittverletzungen kümmern sich in dem Behandlungszentrum Tag und Nacht zwei Chirurgen. "Die machen nichts anderes, als Wunden zu versorgen und zu nähen", sagt Leonore Jahn. Und so leisten die Ärzte Akkordarbeit. Während der Schicht der Notärztin an dem "italienischen Wochenende", dem besucherstärksten der ganzen Wiesn, war das Behandlungszentrum zweimal voll belegt. Einmal bereits gegen 12.30 Uhr, das zweite Mal gegen 16.00 Uhr. Da musste von der Berufsfeuerwehr München dann sogar ein Großraum-Rettungswagen mit mehreren Behandlungsplätzen angefordert werden, um die zahlreichen Patienten gleichzeitig ordnungsgemäß versorgen zu können. Trotz aller Hektik hat Leonore Jahn ihr Dienst, ebenso wie den beiden BRK-Mitarbeitern Christian Klein und Jonas Keil, Spaß gemacht. "Schließlich", sagt die Medizinerin, "hat man nicht alle Tage die Möglichkeit, als Notärztin auf dem größten Volksfest der Welt zu arbeiten." Das ist dann eben doch der Unterschied zum überschaubaren Alltag in der Allgemeinarztpraxis, wenngleich der natürlich ebenso die volle Aufmerksamkeit der 46-Jährigen abverlangt. "Jedenfalls ist es beeindruckend, die Wiesn auch mal von der anderen Seite zu erleben." Vor allem die perfekte Logistik und das Zusammenspiel von Ärzten, Rettungsassistenten und Rettungssanitätern, die sich nicht kennen und dennoch professionell in Teams zusammenarbeiten, hat die Maroldsweisacherin beeindruckt. Und nach einem anstrengenden Tag und einer ebensolchen Nacht hatten sich die drei dann selbst ein paar Stunden Frohsinn auf der Wiesn gegönnt - nicht in der Rettungsstation, sondern im Bierzelt ... Bericht: Michael Will, NP Coburg
Fotos: BRK Ebern/München